Die Psychiatrische Willenserklärung und ihre Bedeutung für Fachpersonal
Im medizinischen und psychosozialen Bereich ist es unerlässlich, sich mit der Psychiatrischen Willenserklärung (PsyWill) auseinanderzusetzen. Diese Erklärung stellt sicher, dass die Wünsche der Patient*innen in Bezug auf psychiatrische Behandlungen und deren Ablehnung klar dokumentiert sind.
Sie bietet nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern ermöglicht es Ihnen als Fachkraft, Entscheidungen im Einklang mit dem Willen der Betroffenen zu treffen und Konflikte zu vermeiden. Zudem schützt sie Sie vor rechtlichen Konsequenzen, die durch die Missachtung des Patient*innenwillens entstehen könnten.
Ein fundiertes Verständnis der PsyWill ist daher für die verantwortungsvolle Arbeit in der Psychiatrie und angrenzenden Bereichen besonders wichtig.
Die Psychiatrische Willenserklärung (PsyWill) ist eine spezielle Form der Patientenverfügung, die sich auf die Bereiche der psychiatrischen Diagnostik und Behandlung bezieht. Sie umfasst in der Regel sowohl eine Patientenverfügung als auch eine Vorsorgevollmacht. In der Patientenverfügung wird der Behandlungswille der*des Patient*in für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit festgehalten. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht es, bevollmächtigte Personen zu bestimmen, die im Falle der Einwilligungsunfähigkeit alle medizinischen Entscheidungen stellvertretend treffen dürfen (§§ 1820, 1827 BGB).
Die Patientenverfügung gibt Ihnen daher rechtsverbindliche Informationen über für die*den Patient*in akzeptable Behandlungsformen und mit den Bevollmächtigten auch Ansprechpersonen für alle zu treffenden medizinischen Entscheidungen. Dies ist zunächst eine Arbeitserleichterung für Sie, da die Patientenverfügung Ihnen Sicherheit darüber gibt, welche Behandlungen unbedingt zu unterlassen sind. Sie hilft Ihnen, den Patient*innenwillen herausfinden in einer Situation, in der der*die Patient*in entscheidungsunfähig erscheint. Denn statt den mutmaßlichen Willen zu ermitteln, müssen Sie sich an dem zweifelsfrei dargelegten Willen orientieren. Zu beachten ist dringend, dass bei Zuwiderhandlungen gegen die Patientenverfügung der Verdacht der Körperverletzung besteht und strafrechtliche, zivilrechtliche sowie arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen (§§223, 226, 227 StGB; RGSt 25, 375; BGHSt 11, 112; BGH NJW 2000, 885). Dies gilt auch im Falle von Selbstgefährdung. So wie jeder Mensch eine Krebsbehandlung verweigern kann, darf auch jede psychiatrische Behandlung verweigert werden.
- Selbstbestimmungsrecht: Das Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen hat höchste Priorität und muss respektiert werden.
- Vorrang von Patientenverfügungen: Dokumentierte Patientenverfügungen sind bindend, und medizinisches Personal muss sich an deren Inhalt halten.
- Schutz der Fachkräfte: Die Beachtung der PsyWill schützt Fachkräfte vor strafrechtlichen, zivilrechtlichen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Wenn Sie als medizinisches Personal tätig sind und einen Hinweis darüber bekommen, dass ein*e Patient*in für den Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit eine Patientenverfügung erstellt hat, sind Sie verpflichtet, diesem Hinweis nachzugehen. Mögliche Hinweise sind z. B. ein Aufkleber auf der Krankenkassenkarte, eine Notfallkarte oder ein Zettel im Portemonnaie, eine Äußerung der*des Patient*in oder Äußerungen von Angehörigen. Manchmal sind Bevollmächtigte auch im zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hinterlegt (https://www.vorsorgeregister.de/).
Haben Sie einen Hinweis auf die Existenz einer Patientenverfügung erhalten, sind folgende Schritte angeraten:
- Fragen Sie, wo die Verfügung aufbewahrt wird und wer die Bevollmächtigten sind.
- Schauen Sie im Portemonnaie der betroffenen Person nach weiteren Hinweisen. Möglicherweise gibt es eine Notfallkarte oder Kontaktdaten von Bevollmächtigten.
- Sehen Sie in das Zentralregister der Bundesnotarkammer, ob dort Bevollmächtigte hinterlegt sind.
- Kontaktieren Sie die Bevollmächtigten und bitten Sie um rasche Übersendung der Verfügung, bspw. per E-Mail oder Fax.
- Lesen Sie sich die Verfügung genau durch und halten Sie sich daran. Die Verfügung stellt den Patient*innenwillen dar.
- Müssen medizinische Entscheidungen getroffen werden, die nicht von der Verfügung abgedeckt sind, ziehen Sie die Bevollmächtigten hinzu. Diese müssen stellvertretend für die betroffene Person einwilligen. Sie haben in diesem Fall gegenüber den
Bevollmächtigten dieselben Informations- und Aufklärungspflichten wie gegenüber der*dem Patient*in selbst (§§ 630d, 630e BGB).
Falls Sie Zweifel an der Gültigkeit oder Authentizität der vorgelegten Verfügung haben, müssen Sie unverzüglich das zuständige Gericht informieren. In solchen Fällen kann das Gericht die Verfügung überprüfen und gegebenenfalls eine gesetzliche Betreuung einrichten. Dies ist besonders wichtig, wenn Unsicherheiten über den aktuellen Willen des*der Patient*in bestehen.
Wenn Sie erhebliche Zweifel der Eignung der Bevollmächtigten haben, müssen Sie das zuständige Gericht einschalten. Dies ist auch der Fall, wenn Sie der Meinung sind, dass die Bevollmächtigten nicht im Interesse des*der Patient*in handeln. Das Gericht wird im Zweifel eine gesetzliche Betreuung einrichten.
Wie bereits beschrieben, obliegt es Ihnen nicht, die Entscheidungen der Patient*innen zu bewerten. Der Wille der betroffenen Person gilt, auch wenn Sie gänzlich andere Entscheidungen für sinnvoll halten:
„Im Hinblick auf den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist, der Inhalt des mutmaßlichen Willens in erster Linie aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, aus seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln. Objektive Kriterien, insbesondere die Beurteilung der Maßnahme als gemeinhin vernünftig und normal sowie den Interessen eines verständigen Patienten üblicherweise entsprechend, haben keine eigenständige Bedeutung, sondern dienen lediglich der Ermittlung des individuellen hypothetischen Willens.“
BGH 5 StR 712/98 - Urteil v. 4. Oktober 1999 (LG Chemnitz) – Leitsatz 2
Wenn Sie denken, dass die PsyWill für Ihre Patient*innen oder Klient*innen sinnvoll sein könnte, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir informieren Sie gerne umfassend und senden bei Bedarf auch handliche Flyer und Informationsmaterialien zu.
Weiterhin gibt es die Möglichkeit, dass ihre Patient*innen und Klient*innen unsere Beratung in Anspruch nehmen. Dazu können diese telefonisch oder per E-Mail Kontakt zu uns aufnehmen. Dies geht ganz einfach über unsere Website (roter Button „Jetzt beraten lassen“), unter 0234 – 5844 2693 oder unter beratung@psywill.de.
Über die Einzelfallberatung hinaus bieten wir auch verschiedene Kurs- und Seminarformate an, sowohl für Betroffene als auch für Fachpersonal. Aktuelle Termine finden Sie auf unserer Website. Gerne vereinbaren wir auch mit Ihnen eine Inhouse Schulung ganz nach Bedarf Ihrer Organisation oder Einrichtung. Kontaktieren Sie uns dazu gerne unter 0234 – 5844 2643 oder kontakt@psywill.de.
Hier ist eine Übersicht einiger relevanter Gesetzesparagraphen und Gerichtsurteile im Zusammenhang mit der Psychiatrischen Willenserklärung (PsyWill) und Patientenverfügungen generell.
Gesetzesparagraphen:
- § 1820 BGB – Voraussetzungen der Patientenverfügung
Dieser Paragraf regelt, wann eine Patientenverfügung rechtswirksam ist, und verlangt, dass die Patientenverfügung für bestimmte medizinische Maßnahmen ausdrücklich eine Entscheidung trifft, wenn die*der Patient*in nicht mehr selbst entscheiden kann. - § 1827 BGB – Vorsorgevollmacht und gesetzliche Betreuung
Regelt, wie eine Vorsorgevollmacht erteilt wird und welche Rechte und Pflichten Bevollmächtigte haben, wenn die*der Patient*in nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Der Paragraf legt auch fest, dass bei Fehlen einer Verfügung die gesetzliche Betreuung eingreift. - § 223 StGB – Körperverletzung
Körperverletzung, auch wenn sie durch medizinische Maßnahmen geschieht, kann eine strafrechtliche Konsequenz für das medizinische Personal haben, wenn diese ohne Zustimmung der*des Patient*in erfolgt, besonders im Falle einer missachteten Patientenverfügung. - § 226 StGB – Gefährliche Körperverletzung
Erweitert die Definition der Körperverletzung um die Schwere der Tat. Wenn eine Behandlung die*den Patient*in schädigt und gegen dessen Willen durchgeführt wurde, könnte dies als gefährliche Körperverletzung eingestuft werden. - § 227 StGB – Mildernde Körperverletzung
Hier geht es um fahrlässige Körperverletzung, die auch im Fall von Fehleinschätzungen oder Missachtung des Patient*innenwillens zur Anwendung kommen kann. - § 630d BGB – Aufklärungspflicht des Arztes
Die*der Ärzt*in ist verpflichtet, die*den Patient*in oder seine bevollmächtigte Person vor der Durchführung medizinischer Maßnahmen umfassend zu informieren, was auch die Berücksichtigung einer Patientenverfügung beinhaltet. - § 630e BGB – Dokumentation der Aufklärung
Dieser Paragraf verpflichtet Ärzt*innen dazu, die Aufklärung und Zustimmung zur Behandlung zu dokumentieren, sodass der Patient*innenwille jederzeit nachvollziehbar bleibt. - § 104 BGB – Geschäftsunfähigkeit
Bestimmt, dass eine Person, die aufgrund einer geistigen oder psychischen Krankheit nicht in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen, als geschäftsunfähig gilt. Dies ist besonders relevant für die Anwendung von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Grundsätzlich gilt zunächst jede volljährige Person zunächst als geschäftsfähig. - § 105 BGB – Willenserklärung bei Geschäftsunfähigkeit
Regelt, dass Willenserklärungen von geschäftsunfähigen Personen grundsätzlich nicht wirksam sind, es sei denn, sie wurden von einem gesetzlichen Vertreter (z. B. einem Betreuer) abgegeben. Dies betrifft auch die rechtliche Gültigkeit einer Patientenverfügung, wenn die Person nicht einwilligungsfähig ist. - § 104, 105 BGB in Verbindung mit § 1827 BGB
◦ Wenn jemand aufgrund von Krankheit nicht in der Lage ist, rechtlich bindende Willenserklärungen abzugeben, kann dies durch eine Vorsorgevollmacht oder gesetzliche Betreuung ausgeglichen werden.
Gerichtsurteile:
- BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 (5 StR 712/98) – Mutmaßlicher Wille
Dieses Urteil betont, dass der mutmaßliche Wille einer*s Patient*in auf Grundlage ihrer*seiner individuellen Wünsche und früheren Äußerungen ermittelt werden muss, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Es wird darauf hingewiesen, dass objektive Kriterien wie Vernunft keine eigenständige Bedeutung haben, sondern nur als Hilfsmittel zur Feststellung des hypothetischen Willens dienen. - BGH NJW 2000, 885 – Bedeutung der Patientenverfügung im medizinischen Kontext
Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs bekräftigt, dass die Wünsche des Patienten, die in einer Patientenverfügung festgelegt wurden, auch dann beachtet werden müssen, wenn sie von den allgemein anerkannten medizinischen Standards abweichen. Es stellt klar, dass Ärzt*innen an die Verfügung gebunden sind. - BGHSt 11, 112 – Zuwiderhandlungen gegen die Patientenverfügung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass Ärzt*innen, die gegen eine Patientenverfügung handeln, rechtliche Konsequenzen fürchten müssen, insbesondere im Hinblick auf Körperverletzungsdelikte. - BGH, Urteil vom 4. Oktober 1999 (5 StR 712/98) – Leitsatz 2
Im Zusammenhang mit der Feststellung des „mutmaßlichen Willens“ der*s Patient*in wurde klargestellt, dass der Wille der*s Patient*in und nicht allgemeine objektive Kriterien als Maßstab dienen muss. - RGSt 25, 375 – Rechtliche Konsequenzen von Zuwiderhandlungen
Ein frühes Urteil des Reichsgerichts, das festlegt, dass das Missachten des Patientenwillens schwerwiegende rechtliche Folgen für das behandelnde medizinische Personal haben kann, inklusive strafrechtlicher Verantwortlichkeit
Relevanz:
Alle genannten Paragraphen und Urteile sind direkt relevant für den Umgang mit Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und der psychiatrischen Willenserklärung (PsyWill). Sie regeln die rechtlichen Grundlagen für die Gültigkeit dieser Dokumente, die Pflichten des medizinischen Personals und die Folgen der Missachtung des Patient*innenwillens.
Die genannten Gerichtsurteile (insbesondere die vom BGH und RGSt) bekräftigen die Wichtigkeit der Einhaltung der Patientenverfügungen und der Vorsorgevollmachten. Sie stellen klar, dass das Ignorieren dieser Dokumente rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, einschließlich strafrechtlicher Verantwortlichkeit im Falle von Körperverletzungen oder gefährlicher Körperverletzung.
Die Rechtsprechung und Gesetzgebung unterstützen den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts der*s Patient*in, das auch in der Psychiatrie und in medizinischen Notfällen beachtet werden muss.